Transnationaler Aktivismus auf dem Festival für Theater der unterdrückten Frauen in Berlin
„Nein
heißt Nein – Ending violence against woman“ war das Motto des II.
Internationalen Festivals der Ma(g)dalenas Berlin im September 2017.
Über hundert Frauen aus der ganzen Welt trafen sich, um gemeinsam über
Rassismus, strukturelle Machtdynamiken und Gewalt an Frauen im
Forumtheater zu diskutieren.
Das Theater der Unterdrückten wird von der Berliner Theatergruppe Madalena
als Werkzeug benutzt, um tägliche Kämpfe von Frauen in einen Dialog mit
dem Publikum zu stellen. Es gilt dabei, nicht allein zu bleiben mit
Erfahrungen von Rassismus, sexualisierter Gewalt und Belästigung und
HIV. Wie diese empowernde Methode in der Praxis angewandt wird, zeigt
das in dieser Woche stattfindende Internationale Festival von Madalena
in Berlin. Wir sprachen mit der künstlerischen Leiterin Barbara Santos
über die Schwerpunkte des Festivals und über das internationale Netzwerk
von Frauen, das während des Festivals zusammen kommt.
Das II. Madalena International Festival findet statt vom 13. bis 17. September in Berlin.
The Theatre of the Oppressed is an aesthetic method committed to the transformation of reality, created by the Brazilian theatre director Augusto Boal.
Madalena laboratory is an innovative theatrical and research experience
that uses aesthetic elements, and it is directed to women only to create effective strategies that help overcome their oppressions and that promote equity among the sexes.
The beginning point is the female body, which was kept out of sight for
centuries and is the marketing window for mass media nowadays. Madalena
Laboratory explores taboos and highly sensitive social topics, using art to visualize concrete pathways to outdo injustice and to transform reality.
During this festival, that will take place at Uferstudios 13-17th Semptember 2017, more than 100 women from Latin America, Africa, Europe and Asia
who practice Theatre of the Oppressed to overcome inequality, sexism,
racism and sexual violence will come together. The festival aims to
celebrate the progress of our international network and to seek
effective means to broaden the articulation between feminist Theatre
groups, social movements, and organizations.
Madalena Laboratory Theatre of the Oppressed seeks to respond to the great need of privileged spaces for women to discuss the specific oppressions
they face in different contexts. This is meant to be a space where
mutual trust can be uphold and re-valued; where women find ways to overcome feelings of guilt, shame, and competition;
and where women can confront the silence that has historically hid
fundamental topics. Therefore, Madalena groups seek to build up an
environment of recognition, visibility and empowerment so that women can
reflect about their own oppressions, exchange ideas and support each
other in the struggle for new quests and the improvement of the rights
that women have already conquered. Madalena International Network
(Teatro de las Oprimidas) is a space to revalue and spread the expression of female collectives; it is a space of exchange, struggle and encouragement for solidarity and justice.
Produced by Madalena Berlin Theatre Group with the support of KURINGA – space for Theatre of the Oppressed in Berlin,
the festival is an international action of the Ma(g)dalena Internation
Network, composed by feminist theatre groups from Latin America, Europe,
Africa and Asia, for “Ending violence against women!” The festival will
celebrate the progress of the network and seek effective means to broaden the articulation between feminist theatre groups, social movements and organizations. We will host individual women and collectives from all over the world with
a common link to feminist Theatre actions and performance with more
than 4 different native languages and 4 different continent experiences.
More specifically, each day of the festival will focuse on a topic. Feminism and Racism, Violence Against Women, HIV-positive Women Networks and Sexuality, Gender Constructions and No Means No are the daily frameworks where the groups will present their work. Dancing and music performances will also be a key element to the gathering.
In this sense, Reinhas do Norte will give a concert on the closing night and the Forum-Theatre-Musical Nega ou Negra?
represents an aesthetic investigation about the socially constructed
image of the black woman. The theatre play invites the audience to take a
critical look at the “normality” that promotes and naturalized both
sexism and racism. NO MEANS NO, a piece by the Madalena Berlin group,
explores the social construction of the idea of gender and its concrete
consequences. This Legislative Theatre production intends to expand the
public discussion around the current European debate of “women’s no”. In
the Legislative Theatre process, the public attends a Forum Theatre piece and, in addition to the usual participation at the Forum session, is
invited to submit written suggestions for the creation, modification
and/or cancellation of laws related with the topic represented on stage.
On Sunday the 17th, there will be a public aesthetic intervention from Alexanderplatz to Monbijoupark that everybody is welcome to join.
No Means No! – Festival of Ma(g)dalena International
Im Festival „No Means No!“
treffen Künstlerinnen und Aktivistinnen des Theaters der Unterdrückten
aus Europa, Lateinamerika und Afrika in Berlin zusammen
Bárbara Santos (li.) mit Mitstreiterinnen – Foto: Kuringa„Schluss
mit einem Theater, das die Realität nur interpretiert, es ist an der
Zeit, sie zu verändern“, schrieb Augusto Boal, der Begründer einer
Theaterpraxis, die sich seit den 1960er-Jahren rund um die Welt rasant
verbreitete und bis heute auf allen Kontinenten praktiziert und
weiterentwickelt wird: Das Theater der Unterdrückten. Diese Methode
erforscht spielerisch alternative Handlungen zur Befreiung aus einer
prekären Situation und macht den Zuschauer zum Mitakteur, zum
„Zuschauspieler“.
Auch in Berlin gibt es mit dem Weddinger Kuringa einen
Erprobungsraum zum Theater der Unterdrückten. Geleitet wird es von
Bárbara Santos, die bis zu seinem Tod 2009 enge Mitarbeiterin Augusto
Boals in Rio de Janeiro war. Santos erprobt Boals Theatermethode für
die Arbeit mit Frauen und gibt Workshops im weltweiten Netzwerk der
„Unterdrückten Magdalenen” (Madalenas Oprimidas).
Im Festival „No
Means No!“ treffen nun Magdalenen-Theatergruppen aus Europa,
Lateinamerika und Afrika in Berlin zusammen und zeigen Szenen,
Performances und Tanztheater zu den Themen Sexismus, Rassismus und
Ausbeutung. Stets ist das Publikum eingeladen, an die Stelle der
Protagonistinnen zu treten und alternative Szenenverläufe zur
Überwindung der vorgestellten Unterdrückungssituation zu erfinden. Und
am 17. September gibt es auch eine öffentliche Aktion ab 15 Uhr zwischen
Alexanderplatz and Monbijoupark. FRIEDHELM TEICKE
Vom
13.-17. September findet in Berlin das 2. Internationale Ma(g)dalena
Festival der unterdrückten Frauen statt. Unter dem Motto NEIN heißt NEIN
treffen sich 100 Frauen aus lateinamerikanischen und europäischen
Ländern und veranstalten Theater, Performance, Diskussion und
Intervention im öffentlichen Raum.
„A través de los años me transformé: fui santa, fui bruja, fui puta más no me callé, no me callé! Soy fuerte y guerrera, yo soy, más no me callé, no me callé!”
(Lied des Ma(g)dalena Netzwerk)
Während der Kolonisation aus Europa strömend, wurden Frauenbilder und
deren Unsichtbarmachung im öffentlichen Raum weitergegeben. Dieser
Einfluss wurde durch Religion wie das Christentum verbreitet. Heute
finden wir diese stark mit dem modernen Gesellschaftsnormen verwachsen.
Das ist mit ein Grund für die Namensgebung des Ma(g)dalena Netzwerks.
Die Existenz von Magdalena wird bis heute als Prostituierte
interpretiert oder gar komplett geleugnet. Im Geschlechter Binarismus
ist die über ihre Sexualität wissende Magdalena als Sünderin verurteilt
und Maria als die heilige Jungfrau gefeiert. Erst 2016 wurde Maria
Magdalena von Papst Franziskus den Aposteln gleichgestellt und damit
erstmals ihre Rolle als Schriftstellerin anerkannt. Das Anliegen
Schweigen zu brechen wird in Liedern, Theaterstücken und dem Ma(g)dalena
Manifest deutlich. Zum Beispiel erinnert das Ma(g)dalena Anastasia
Kollektiv mit der Metapher „Schrei der Anastasia” an die Mundmaske der
versklavten Prinzessin Anastasia. Sie sollte mit dieser zum Schweigen
gebracht werden, damit sie mit ihrer Intelligenz ihre Mitstreiter*innen
nicht zum Widerstand bringen konnte. Der Schrei der Anastasia und der
Ma(g)dalenas möchte 2017 in Berlin gehört werden.
Das internationale Ma(g)dalena Netzwerk wurde 2010 mit dem „Theater
der unterdrückten Frauen Laboratorium“ in Rio de Janeiro und Berlin
gegründet. Weitere Treffen fanden in Brasilien, Guinea-Bissau, Mosambik
und Indien im selben Jahr statt. 2011 und 2013 wurde das Ma(g)dalena-Lab
in Argentinien und Europa multipliziert. In La Paz, 2014 und in
Matagalpa, Nicaragua, 2016 wurden Ma(g)dalena Netzwerk Treffen während
dem Encuentro Latinoamericano del Teatro del Europeo umgesetzt. In
Puerto Madryn, im argentinischen Patagonien wurde das 1. internationale
Ma(g)dalena Festival realisiert. 2017 treffen sich über 100 Frauen aus
Brasilien, Guatemala, Argentinein, Mexiko, Guine Bissau und Europa zum
II internationalen Ma(g)dalena Theater der unterdrückten Frauen Festival
in Berlin. Das Programm beinhaltet Forumtheater, legislatives Theater,
Performance Diskussionsrunden und Interventionen im öffentlichen Raum.
Der Fokus des Festivals richtet sich auf „Nein heißt Nein“ und steht im
Kontext des neuen Gesetz, dass in Deutschland im November 2016
verabschiedet wurde. 2011 unterschrieben rund 40 Länder auf der
Europäischen Kommission ein Nein heißt Nein Gesetz zu verabschieden.
Madalena Berlin debattiert in dem legislativen Theaterprojekt „Nein
heißt Nein“ die Bedeutung des Neins einer Frau und hinterfragt warum so
oft dieses Nein als ein verführerisches Spiel, Entscheidungsunfähigkeit
oder gar als ein Ja interpretiert wird.
Das Theater der Unterdrückten (TdU) ist eine ästhetische Methode, die
den Anspruch hat, die Gesellschaft zu transformieren. Das TdU
entspringt der Pädagogik der Unterdrückten entwickelt von dem
Brasilianer Paulo Freire und wurde 1970 von dem Brasilianer Augusto Boal
als politisches Mittel mit revolutionärem Anspruch gegründet. In den
90er Jahren wurde von der UNESCO das TdU als Method of Social Change
anerkannt, heute gibt es in über 80 Ländern Praktizierende der
Methode.Die Verschmelzung von Politik und Kunst wird von der
Brasilianerin Bárbara Santos, die in Berlin lebt und die künstlerische
Direktorin des Theater der unterdrückten Frauen (TdUF) ist mit dem
Begriff des Artivismus definiert. Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur
Artikulation des Widerstands gegen diverse Unterdrückungsmuster.
Personen, die als Frauen sozialisiert sind praktizieren auf vier
Kontinenten in Magdalena Kollektiven Artivismus. Bereits sieben Jahre
besteht das Anliegen der Mitglieder einer globalen Gesellschaft, in dem
transnationalen Theater der unterdrückten Frauen-Netzwerk durch
Feminismus und Theater, Strukturen aufzubrechen. Im Rahmen des
Artivismus der Ma(g)dalenas werden anhand von Forumtheater, Performance
und Aktionen, Geschichten von Frauen auf die politischen
Machtmechanismen übertragen und im öffentlichen Raum zur Debatte
gestellt.
Die Methoden des TdUF stellen einen Raum dar, in dem gewohnte
Lebensformen und Geschlechterungleicheitsverhältnisse, die den Alltag
bestimmen, transformiert werden können. Diese Theaterpraxis der
Ma(g)dalenas beinhaltet ein Transformationspotential, welchem wir
während dem Festival gemeinsam, die Zuschauer*innen und
Schauspielerinnen Teil werden. Im Forumtheater wird die Barriere
zwischen Schauspieler*innen und Zuschauer*innen aufgelöst indem wir alle
zu Zuschauspieler*innen der erprobten Revolution auf der Bühne werden.
Aus unserer Perspektive als Ma(g)dalenas müssen Maßnahmen ergriffen
werden und Feminismus aktiv im Alltag praktiziert werden. Wir sind der
Meinung, dass eine universelle Form des Feminismus, eine Feminismus
Definition oder eine Feministin zu sein nicht universell definierbar
ist. Die Anwendung von Feminismen im Plural erfasst diese Diversität des
Feminismus und erwägt eine Überlagerung, die sich in unserem Netzwerk
wieder spiegelt. Wir sind Frauen verschiedener Herkunft, Alter und mit
unterschiedlichen Geschichten von denen wir gegenseitig anlehnend an die
Idee von Intersektionalität voneinander lernen. Unsere feministische
Vision von sozialer Veränderung und Gerechtigkeit hat eine kollektive
Kraft. Unterdrückung ist ein gesellschaftliches Phänomen, dass in sozial
bedingten Unterdrückungsstrukturen wie Rassismus und Sexismus verankert
ist. Unterdrückung entsteht durch politische Verhältnisse und
Machtbeziehungen für die wir mit allen Teilnehmer*innen nach
Alternativen suchen.
Magdalena als ein transnationales Frauennetzwerk bildet sich aus dem
Echo der Frauenbewegungen heraus und findet sich in der Methode des
Theater der Unterdrückten wieder. Unsere Verflechtungsbeziehungen prägen
unsere antirassistischen und intersektionalen Perspektive eines
Feminismus woraus wir die Notwendigkeit erkennen, politische Räume zu
schaffen, in denen gemeinsame Kämpfe existieren können. Gemeinsam
versuchen wir Interventionen über die eigene Sozialisation hinaus im
Rahmen des patriarchalen System zu analysieren, sowie Handlungsmacht und
Rechte durch politische Aktivität zu erlangen.
In diesem Sinne sagen wir Nein heißt Nein ! Für eine Ende der Gewalt an Frauen!
Wir sehen uns bei dem II. Internationale Ma(g)dalena Festival in
Berlin von 13. – 17. September gemeinsam. Wir freuen uns auf euer
kommen!
Madalena Berlin
// Liviana Bath (Multiplikatoren Theater der Unterdrückten, Teil von Madalena Berlin)